Präsentation der gedenk_potenziale 2023
Am 5. Mai 2023, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, wurde das Projekt „Üb‘ immer Treu‘ und Redlichkeit?“ (Arbeitstitel „Pausenzeichen) des Innsbrucker Künstlers Lucas Norer offiziell präsentiert. Die Text- und Klangintervention, die im Rahmen der gedenk_potenziale der Stadt Innsbruck gefördert wurde, markiert vier ‚Tatorte‘ – die immer auch Opferorte sind – des NS-Regimes in Innsbruck und stellt sie in Bezug zueinander. Dabei handelt es sich um folgende vier Orte der NS-Täterschaft: Herrengasse 1 (Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle), Schmerlingstraße 1 (Oberlandesgericht, Landgericht, Gefangenenhaus), Südtiroler Platz 14-16 (Polizeidirektion, Kriminalpolizei, Polizeigefängnis) und der Lagerkomplex der Gestapo in der Reichenau.
Die ausgewählten Orte sind Mahnmal und Zeugnis, Opfer- und Täterorte in einem und damit im Besonderen geeignet über die Geschehnisse des NS-Terror in ihrer Gesamtheit zu berichten. Neben einem fehlenden Bewusstsein für ihre Relevanz in der NS-Zeit eint diese Orte eine unzureichende oder unsensible Kontextualisierung. Umstände, die diese Arbeit thematisiert. Zur Markierung dieser Orte ist die Textzeile „Üb’ immer Treu’ und Redlichkeit“, erweitert um ein Fragezeichen, aufgemalt. Diese entstammt dem Gedicht Der alte Landmann an seinen Sohn (1776) von Ludwig Hölty. Die Vertonung dieses Texts, basierend auf einer Melodie aus Mozarts Oper Die Zauberflöte, erlangte als Volkslied große Bekanntheit. Die Melodie fand später in den NS-Radios ab 1933 als zentrale Kenn- bzw. Pausenmelodie eine neue Verwendung. Um auf die harmlos und unpolitisch scheinende nationale Selbstdarstellung zu reagieren, entschied sich der britische Tarnsender Gustav-Siegfried-Eins für eine provokante musikalische Antwort. Zu hören war nämlich die ebenfalls instrumentale zweite Liedzeile des selben Volksliedes, deren Text lautet „… bis an dein kühles Grab“. Als akustisches Gegenstück zu der am Boden angebrachten Textzeile wird die Kennmelodie von Gustav-Siegfried-Eins abgespielt. Begleitend dazu ist eine Collage aus eingesprochenen Zeugenberichten und Täterverhören der Nachkriegsjustiz sowie von Dokumenten aus der NS-Zeit hörbar. Diese geben einen Einblick in das Ausmaß und den Schrecken des NS-Staates.
An den folgenden vier Standorten ist die Installation „Üb immer Treu und Redlichkeit?“ bis zum 9. November 2023 zu finden:
- ehemalige Zentrale der Geheimen Staatspolizei in der Herrengasse 1
- Gerichtsgebäude in der Schmerlingstraße 1
- ehemaliges Polizeigefängnis am Südtiroler Platz 14-16
- ehemaliger Lagerkomplex Reichenau in der Roßaugasse 4.
Mehr Informationen über die Text- und Klangintervention von Lucas Norer finden Sie hier.
Marion Umgeher hat für den KulturTon mit Lucas Norer über das Projekt „Üb‘ immer Treu‘ und Redlichkeit?“ gesprochen. Das Gespräch können Sie hier nachhören.
(Fotos: Anneliese Steinacker)