Wortdenkmal – Potenziale im Gedenken
Statement von Christine und Andreas Pavlic anlässlich des Abbaus der Wortdenkmäler am 14. Mai 2024
Bunt und anziehend sollten sie sein. Einladend sollten sie wirken. Eine Form des Erinnerns und Gedenkens der etwas anderen Art sollten sie darstellen. Das war die Idee. Vier aus Karton gefertigte, monumentale Wortdenkmäler hatten wir in Innsbruck aufgestellt. Jedes mit einer Hinweistafel und einer Box für Postkarten, auf der erste Informationen zur Geschichte hinter dem Wort zu finden waren. Interessierte konnten über einen QR Code direkt zur Homepage gelangen, wo die Texte in einer Langversion gehört oder gelesen werden konnten.
So standen die Wörter „Kultur“, „Forschung“, „Marmelade“ und „Provokation“ in verschiedenen Teilen der Stadt Innsbruck und sie waren ob ihrer Größe und Farbigkeit kaum zu übersehen.
Warum wir die Vergangenheitsform verwenden? Wir mussten die Wortdenkmäler aufgrund der massiven Beschädigungen abbauen.
Beim Aufbau der Wortdenkmäler bekamen wir sehr viele schöne und positive Rückmeldungen. Die Menschen zeigten Neugier, lauschten unseren Ausführungen, es entstanden interessante Gespräche, manche nahmen sich einfach eine Karte und lasen. Die negativste Reaktion war ein – „interessiert mi nit!“ Das ist okay, nicht jeder Mensch muss sich dafür interessieren.
Was uns jedoch überrascht und ein Stück weit ratlos macht, ist der leichtsinnige bis aggressive Umgang mit den Wortdenkmälern.
Noch vor der Eröffnung wurde das Wort „Provokation“ – mit dem wir an die Geschichte der Höttinger Saalschlacht erinnerten und von einer Widerstandskämpferin erzählten – zerstört. Auch wurden einige Buchstaben entwendet, sodass ein erneuter Aufbau nicht möglich war. In den Zeitungen und den sozialen Medien wurde darüber berichtet und diskutiert. Die Aufmerksamkeit freute uns, dass diese auf Kosten eines der Wortdenkmäler ging, weniger.
Doch auch an den darauffolgenden Tagen wurden die Wörter beschädigt, Buchstaben wurden aus ihrer Verankerung gerissen und umgestellt. Die erste Vermutung ist, dass diese Zerstörung nicht politisch motiviert ist, sondern andere Gründe haben wird – vielleicht von Alkohol durchtränkte, hormonell gesteuerte oder irgendwelche andere. Wir wissen es nicht.
Auffällig ist, dass gerade diese skulpturalen und poppigen Wortgebilde die Aggressionen dermaßen anzogen haben. Als hätten diese Wortdenkmäler nicht nur dazu eingeladen, über den dahinter liegenden NS-Bezug nachzudenken, sondern über sie eigenmächtig und rücksichtslos zu verfügen.
Dass Kunst im öffentlichen Raum diesem auch ausgesetzt ist, war uns von Anbeginn bewusst. Mit Schmierereien und mit Beschädigungen haben wir gerechnet, dennoch überrascht uns die Vehemenz und Heftigkeit.
Was bedeutet das in Bezug auf Erinnerungs- und Gendenkpolitik? Wir wissen es nicht. Wir wollen keine übereilten Rückschlüsse ziehen und die Ereignisse der letzten beiden Wochen auch nicht zu sehr mit Bedeutung aufladen.
Vielleicht ist es einfach so. Vielleicht ist es aber auch ein Ausdruck einer Gegenwart, die so gespannt und unter Druck steht, dass Gegenstände im öffentlichen Raum dankend als gesellschaftlicher Boxsack angenommen werden. Je wehrloser, desto willkommener werden sie für das Ausagieren gesellschaftlicher oder persönlicher Konflikte verwendet.
Vielleicht dienten manche Wortdenkmäler auch nur als Objekte, mit denen man gerne Selfies macht oder sich fotografieren lässt. Das war Teil der Idee.
Vielleicht wurde genau dieser Zeitgeist, über alles verfügen und für sich verwenden zu wollen, den Wortdenkmälern zum Verhängnis.
Wir hoffen jedoch nicht, dass Kunst und Erinnerungsprojekte im öffentlichen Raum zukünftig nur mehr in Beton gegossen sein können, um Bestand zu haben. Im Gegenteil.
Wir glauben weiterhin, dass sowohl die Kunst als auch die Gedenkkultur anziehend und einladend sein können. Warum? Weil Gedenken mit dem Nachdenken in Verbindung steht und letzteres nur dann sein Potenzial entfalten kann, wenn wir dem Denken Zeit und Raum geben. Und dafür benötigen wir Objekte im öffentlichen Raum oder Geschichten, die uns zum Nachdenken einladen.
Ob uns dies mit dem Projekt Wortdenkmal gelungen ist? – Ja, wir denken schon. Leider werden die Denkmäler diesen Dienst nicht mehr länger verrichten können. Die massiven Zerstörungen führten zum Entschluss, in Absprache mit allen Verantwortlichen der Stadt Innsbruck die Wortdenkmäler abzubauen.
Weiter bestehen wird auf jeden Fall unsere Homepage, auf der die Geschichten zu den vier Wörtern nachgelesen und angehört werden können.
Nach dem Abbau warten die Buchstaben darauf, dass sie sich in neuen Formationen wieder zeigen können. Denn wenn es um Gedenken geht, das sich gegen Rassismus und Gewalt wendet, wollen wir um keine Wörter verlegen sein.
Daher arbeiten wir gerade an einem Nachfolgeprojekt über Erinnerungs- und Gedenkkultur im öffentlichen Raum. Weiter Informationen folgen auf: https://wortdenkmal.a